DREAMING - Tanz mit der Landschaft
Der Tanz mit der Landschaft - Dreaming. Fachtagung in Darmstadt, September 2019
Dreaming, der Tanz mit der Landschaft, ist eine tanz- und zugleich naturtherapeutische Methode, mit der Landschaft in einen dialogischen Austausch zu kommen. Die eigene Körperlichkeit, Wahrnehmungen, Bewegungen wie Gehen und Betasten, Atmen, Tönen und Tanzen bringen in eine tiefe, unmittelbar sinnliche Verbindung mit der Natur und ihrem prozesshaften Wesen sich abwechselnder Zyklen und Rhythmen. Auch die Entstehung der Landschaft kann gegenwärtig werden im Tanz mit ihrem Relief und ihren Schichten. Erdgeschichte, wie Eiszeiten oder Kontinentaldrift, wird im eigenen Körper erlebbar und vermittelt den tiefen Rhythmus des Ortes und der Evolution.
Inspiriert ist Dreaming von den australischen Ureinwohnern, die auf eine fast 100.000 Jahre alte ununterbrochene Kunst- und Kulturtradition zurückblicken können. Die zentrale Aufgabe des Menschen im Weltbild der Aborigines ist das Hüten und Beschützen der Traumzeit und der einzelnen Dreamings, welche sich in Mythen und Gesängen, Tänzen und Bemalungen als Geschichten, Symbole, Melodien, Rhythmen und Tänze ausgestalten. Zudem sind die einzelnen Dreamings an konkrete Orte in der Landschaft gebunden und dadurch lokal als Wirklichkeit erfahrbar. In der europäischen Kulturtradition finden sich in Märchen und Sagen noch Überbleibsel eines ähnlichen Weltbildes, z.B. die Lokalisation der Holle-Mythologie auf dem Hohen Meißner oder die Rübezahl-Sage im Riesengebirge. Im Gegensatz dazu wird in unserer modernen Kultur der Mensch nicht als Bewahrer, sondern als Herrscher über die Natur betrachtet, Natur als „Rohstoff“, nicht als Partner. Zudem sind durch die Industrialisierung die Landschaften, in denen wir heute leben, stark überbaut und durch Trassen zerschnitten, Flüsse begradigt, Wälder gerodet und Tiere verdrängt worden.
In der Verbindung mit der Natur, der konkreten Landschaft, in der ein Mensch aufwächst und lebt, werden nicht nur soziale Strukturen angelegt, sondern auch das Gefühl für die eigene Identität und Verortung im Hier und Jetzt. Isolation, Selbstentfremdung, Leben gegen den eigenen Rhythmus, mangelnder oder kein familiärer Halt sind die Kehrseiten unseres technischen Fortschrittes und spiegeln die Zerstörung der Natur im Menschen. Hier kann Dreaming entgegenwirken, indem über den Tanz mit der Landschaft neue und alte Verbindungslinien spürbar werden, die weit über die eigene Persönlichkeit hinausweisen. Im Tanz mit der Landschaft können wir uns in den großen Zyklen der Natur ebenso wiederfinden, wie in kleinsten Strukturen, einer Wurzel oder einem Stückchen Rinde. Aus dieser Hinwendung lassen sich neuer Halt, Verwurzelung, Zuversicht und Sinngebung schöpfen.